Den lass ich gleich an by Berg E

Den lass ich gleich an by Berg E

Autor:Berg, E
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-01-27T05:00:00+00:00


Kapitel 9

Es war gar nicht so leicht, die Verwüstungen dieses Katastrophentages zu beseitigen. Lulu hatte geduscht und ihr verheultes Gesicht mit Eiswürfeln gekühlt. Ihre Augen waren aber immer noch gerötet, und der Wodka setzte ihrem Magen heftig zu. Doch sie hatte es immerhin geschafft, sich in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen.

Das alles tat sie nur für Lotte. Für wen sonst? Für Lotte, ihr Ein und Alles. Im Grunde wäre Lulu am liebsten abgereist und hätte sich in ihrer Wohnung versteckt wie ein verletzter Bär in seiner Höhle. Doch was hätte Lotte dazu gesagt? Nein, sie musste durchhalten, für Lotte.

Wo blieb sie eigentlich? Lulu wurde nervös. Immer wieder sah sie zur Uhr. Wo war ihr Kind? Warum hatte sie es allein gelassen?

Andererseits war auf Gill Verlass. So kühl sie auch als Großmutter wirkte, Termine einzuhalten war ihre Stärke. Vermutlich beaufsichtigte sie soeben das junge Glück, das Lotte mit Teddy und Freddy teilte.

Eine Weile wartete Lulu auf dem Balkon, dann ging sie in das Wohnzimmer und stellte den Fernseher an. Sie verstand nicht ein Wort von dem, was da lief, obwohl es allesamt deutsche Programme waren. Als ein Werbespot für Scheuermilch über den Bildschirm flackerte, schaltete Lulu den Fernseher entnervt aus. Ausgerechnet Fit & Ex. Das war das Letzte, woran sie jetzt erinnert werden wollte.

Es war kurz vor neun und fast dunkel, als endlich das Schloss an der Zimmertür klickte. Lotte hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, mit ihrer Schlüsselkarte umzugehen.

Sofort sprang Lulu vom Bett und lief zu ihr. »Hallo mein Schatz! Ich habe mir riesengroße Sorgen gemacht. Wo ist Oma? Warst du mit ihr essen?«

Lotte setzte sich auf die altrosa Couch und streckte alle viere von sich. »Du hast mich ja nicht abgeholt. Und da bin ich mit zu Teddy und Freddy in ihr Hotel gegangen.«

»Aber Oma wollte dich doch abholen?«, fragte Lulu.

»Na jaaa«, sagte Lotte gedehnt, »ich habe Oma schon gesehen … Aber dann dachte ich: Ist doch viel lustiger mit Teddy und Freddy. War’s dann auch.«

Lulu wurde es mulmig zumute. Sosehr sie Lottes neue Selbständigkeit auch freute, das ging ein bisschen zu weit. Und dass sie auch noch vor Gill ausgebüxt war, zeugte von einer ziemlich beängstigenden Raffinesse. Von wem hatte sie das nur?

»Das heißt, du bist ausgerissen«, stellte sie entgeistert fest. »Schätzchen, du hättest mir Bescheid sagen müssen. Die Eltern der Jungs haben sich bestimmt gewundert, dass du mutterseelenallein durch die Gegend spazierst.«

Lotte schmiegte sich eng an Lulu, die sich zu ihr gesetzt hatte. »Nö, haben die nicht. Es war sowieso nur der Vater da. Und der sagte, das ist in Ordnung, wenn ich mit Teddy und Freddy esse. Stell dir vor, im Hotel von Teddy und Freddy gibt es auch eine Kinderdisco. Aber viel größer. Und mit einer echten Band!«

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Lotte öffnete, und Gill stürmte herein, die ihre Enkelin umarmte, als wollte sie sie nie wieder loslassen.

»Kind, Kind, Kind«, schluchzte sie. »Ich habe dich überall gesucht! Wo warst du bloß?«

Lotte wand sich in ihren Armen, denn so viel körperliche Nähe zu Gill war ihr etwas unheimlich.



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